Dr. Eberhard Pönitz
Mein erstes Rendezvous mit der PO-2
Als ich am 11. April die“Freie Presse“ aufschlug, war ich
mit einem Mal wie elektrisiert; las ich doch von meiner „ersten Liebe“ im
Fallschirmsport, dem Absetz-Doppeldecker PO-2 oder PODWA. Das, was zu lesen
stand, erfreute mich außerordentlich: Eine Gruppe gesetzter Herren, etwa in
meinem Alter, bemühen sich zusammen mit einer initiativreichen Frau, eine schon
auf das Altenteil geschobene (oder geworfene) verdiente Dame der
Flugzeuggeschichte wieder flott zu machen, sprich, ihr das Fliegen wieder
beizubringen.
Deshalb
versuche ich zu beschreiben, wie meine erste Begegnung mit der PO-2 verlief.
27. Juni 1957;
es ist ein Donnerstag, gegen Abend. Ich stehe auf dem Gelände des damaligen
Flugplatzes Karl-Marx-Stadt, angetan mit einer Fallschirm –sportkombination, mit
Sprunghaube, Sprungstiefel, Fliegerhandschuhen und einer großen Motorradbrille
sowie mit einer ordentlichen Portion Herzklopfen, vor einer PO-2, die mich zu
meinem ersten Fallschirmabsprung in den Himmel tragen soll. Es wird
gleichzeitig eine weitere Premiere: mein allererster Flug überhaupt.
Vorangegangen
ist ein Jahr ziemlich intensiver Ausbildung, seit ich mich zu Beginn meines
Studiums an der damaligen ABF (Arbeiter- und Bauernfakultät) der Bergakademie
Freiberg zum Fallschirmsport meldete. Ich kam aus dem Lugau-Oelsnitzer
Steinkohlenrevier und dachte mir: „Du hast jetzt die Tiefe kennengelernt; mal
sehen, wie das mit der Höhe ist“, ziemlich blauäugig natürlich.
Schon bald
beginnt die theoretische Ausbildung mit Fallschirmkunde und auch die praktische
Vorbereitung (Fallschirmpacken, Rhönradsport, spezielle Fallübungen u.ä.)
Die Ausbildung
wird vertieft und verstärkt durch Lehrgänge am damaligen
GST-Fallschirmsport-Stützpunkt „Patriot“ im Karl-Marx-Städter Küchwald. Auf dem
dortigen Gelände steht ein hölzerner Sprungturm von ca. 40 -50 m Höhe, von dem
eine genau vorgeschriebene Anzahl an Übungssprüngen zu absolvieren war. Es wurde
das richtige Anlegen des Gurtzeugs, das „Zurechtrücken“ des Gurtzeugs nach der
Schirmöffnung, die Abspunghaltung (dafür gab es zusätzlich eine hölzerne
Nachbildung der PO-2), die Schirmsteuerung mit Hilfe genau ausgewählter
Fangleinen und das Landen geübt; nicht zu vergessen, die Überwindung des nicht
abzustreitenden mulmigen Gefühls beim Absprung...
Diese
Aufenthalte im Küchwald fanden in der Regel an Wochenenden statt, denn das
anspruchsvolle Studium an der ABF darf und soll nicht darunter leiden.
Der Sprungturm
steht meines Wissens heute noch und dient der Raketennachbildung im jetzigen
Kosmonautenzentrum (das ist der erweiterte und modernisierte o.g.
Fallschirmsportstützpunkt) als Gerüst.
Abschließend
gab es natürlich noch eine obligatorische strenge und äußerst detaillierte
Untersuchung bei der Flugmedizinischen Kommission. War diese ohne Einwände
absolviert, stand dem ersten Sprung aus der Maschine nichts im Wege.
Nun ist es also
soweit! Auf dem Rücken habe ich den selbstgepackten Übungsschirm PD-47 (auch
eine Art Training des Vertrauens in die eigene Arbeit), bestehend aus 72 m2
Perkal (ein spezielles Baumwollgewebe). Vor meinem Oberkörper befindet sich der
Rettungsschirm mit etwa 42 m2 Fallschirmseide. Dazu der auf einen
bestimmten Luftdruck einer Sicherheitshöhe eingestellte Mechanismus zur
automatischen Schirmöffnung und ein haarscharfes, sogen. Kappmesser. Mit
letzterem konnte man sich u.a. helfen, wenn es zu einer „Brötchenbildung“ kommen
sollte, d.h. wenn sich eine Fangleine über die Fallschirmkappe legt und die
Sinkeigenschaften des Schirms negativ beeinflußt.
Nach einer
Aufforderung des Instrukteurs steige ich in den vorderen offenen Sitz der PO-2.
Dabei übergebe ich dem Piloten, der hinter mir sitzt, den Karabinerhaken der
Aufzugsleine, die er festhakt.
Dann heißt es
Start! Der Sternmotor der PO geht mit einem Höllenlärm los, der die ganze
Konstruktion zum Zittern bringt. In mehreren Flugplatzrunden geht es auf die
festgelegte Sprunghöhe von 800 m.
Als die
Maschine sich dem Absetzpunkt nähert, stellt der Pilot den Motor ab. Die PODWA
hat, bedingt durch ihre genial einfache Bauweise, hervorragende
Segeleigenschaften. Ein Aussteigen unter Motorbetrieb wäre schlechterdings
unmöglich gewesen! Am Absetzpunkt angekommen, klopft mir der Pilot auf die
Schulter: Aussteigen und fertigmachen zum Sprung! Ich erhebe mich von meinem
Sitz und trete auf eine etwa 2x2m große Gummimatte auf der linken unteren
Tragfläche (Danebentreten würde ein Loch in der Tragflächenbespannung zur Folge
haben!). Der Pilot hebt die Aufzugsleine über meinen Kopf hinweg und gibt mir zu
verstehen: Sprung! Also: rechte Hand an den manuellen Aufzugsbügel des
Hauptschirms (für alle Fälle!) und mit einem kräftigen Sprung schräg nach rechts
unten... Die Öffnungsautomatik mit Aufzugsleine funktioniert und nach etwa 50
Meter freien Fall spüre ich den im Vergleich zum Sprungturm sanften
Entfaltungsstoß meines PD-47. Ich schwebe über dem Flugplatz, genieße dieses
lautlose Dahingleiten und ..... alle Theorie und eingeübte Handlungen sind
vergessen... So kommt es, wie es kommen muß: statt auf dem Flugplatz ging ich
auf einem angrenzenden Rübenacker nieder, und unser Instrukteur mußte sein
Beiwagenkrad anwerfen, um mich und meinen Schirm wieder einzusammeln und
zurückzubringen.
Das war mein
erstes Rendezvous mit der PODWA. Es blieb das einzige, denn die weitere
praktische Sprungausbildung wurde nach Zwickau-Lichtentanne verlegt, und es kam
nur noch die AN-2 als Absetzmaschine zum Einsatz. Damit gab es auch keine
Einzelsprünge mehr, sondern nur noch Gruppensprünge in zwei Runden zu je vier
Springern.
Der erste
Sprung aus der PODWA bleibt dennoch eine starke Erinnerung.
Ich möchte dem
„Wiederaufbau-Kollektiv“ vollen Erfolg wünschen und freue mich sehr darauf, die
PO-2 wieder fliegen zu sehen!
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